Wer bin ich und wenn ja, wie viele - Die Persönlichkeit hat viele Facetten
„Erkenne dich selbst“ (Gnothi seauton) oder „Erkenne, was du bist“ verkündete eine Schrift am Apollontempel in Delphi ca. Mitte des 5. Jahrhunderts vor Chr. Offensichtlich war es den Menschen schon vor ein paar tausend Jahren wichtig, sich selbst zu erkennen. Oder zumindest einigen Menschen. „Wer bin ich und wenn ja, wie viele?“ ist nicht nur humorvoll gemeint, sondern hat selbstverständlich einen ernsthaften Hintergrund. Was ist das „Ich“, welches zu entdecken sich der Mensch zur Aufgabe gemacht hat? In asiatischen Kulturen hat sich die Meditation entwickelt und im Westen finden Yoga und andere kontemplative Praktiken zur Selbsterfahrung großes Interesse. Und gleichzeitig wird doch so vieles dafür getan, damit anderen das eigene Ich verborgen bleibt. Nicht jeder erhält einen Blick ins Innere der eigenen „Seele“ … könnten sich vielleicht doch dunkle „Abgründe“ auftun, die niemand sehen darf? Gibt es überhaupt ein „Ich“ von dem wir so selbstverständlich sprechen? Muss an der „Persönlichkeit“ eigentlich gearbeitet werden? Wird sie entdeckt, entwickelt, entfaltet oder sollte ich mich von ihr lösen? Dazu gibt es tatsächlich ganz unterschiedliche Ansichten in der Psychologie. In unserer Gesellschaft gibt es offensichtlich einen zunehmenden Trend, die Persönlichkeit „frei“ zu wählen, sie sogar zu designen. Und bis zu einigen Millimetern in die Tiefe geht das auch durchaus, ohne dass es zu ernsthaften gesundheitlichen Schäden führt. Aber befindet sich die „Seele“ nicht ganz tief in unserem Innern? Reicht es dann, nur die Oberfläche aufzupolieren? Ist die Seele das gleiche, wie die Persönlichkeit oder der Charakter oder das Selbst, das Naturell, das Wesen, die Individualität, die Identität? Alleine schon die Begriffsvielfalt deutet auf eine gewisse Herausforderung bei diesem Thema hin. Oder ist es vielleicht doch viel einfacher, so wie es Plutarch formulierte. „Der Charakter ist weiter nichts als eine langwierige Gewohnheit.“ Persönlichkeit hat viele Facetten Nicht nur eine Persönlichkeit hat viele Facetten, sondern auch das Thema „Persönlichkeit“ sowie das Phänomen „Persönlichkeit“ als Forschungsgebiet haben viele Facetten. Die Frage nach der menschlichen Natur, ist vielleicht so alt, wie die Menschheit selbst. Und daher haben sich auch die unterschiedlichsten Vorstellungen und Modelle über die „menschliche Seele“ entwickelt. Die alten Griechen sprachen von den Temperamenten, die durch Säfte hervorgerufen wurden. Der Choleriker (Galle) ist besonders als Chef bei vielen Mitarbeitern nicht sehr beliebt. Das Wort „Person“ in den europäischen Sprachen geht auf das lateinische Wort „persona“ zurück. Dieses wurde hauptsächlich im Sinne von „Rolle, Charakter, Maske“ gebraucht. Im alten Rom trugen die Schauspieler Masken (persona), die dem Publikum die Eigenschaften der Person, die sie darstellten, zeigen sollten. So gab es zum Beispiel Masken mit lachenden, weinenden oder wütenden Gesichtern, die den jeweils typischen Charakter einer Rolle erkennbar und vorhersehbar machten. „Bedenke, dass du nur der Schauspieler bist in einem Stück, das der Spielleiter bestimmt. (…) Deine Aufgabe ist es nur, die dir zugeteilte Rolle gut zu spielen; sie auszuwählen, steht einem andern zu.“ (Epiktet, 50 bis 138 n. Chr.) Für die Behavioristen war die Persönlichkeit eine „Black Box“. Man schaute, was hinein ging und was rauskam (der Reiz und die Reaktion). Denn das alleine glaubte man, messen zu können. Persönlichkeitsmodelle existieren viele und eine einheitliche Definition von „Persönlichkeit“ gibt es in der Psychologie bis heute nicht. Der Psychologe Allport hat schon in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts versucht, eine Fülle von über 50 verschiedenen Formulierungen aus Philosophie, Psychologie, Theologie und Soziologie zu Kategorien zusammen zu fassen und deren Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten. Daran ist zu erkennen, dass in der Wissenschaft, wie im Alltagsdenken und -erleben eine Vielfalt an Vorstellungen existiert, was der Mensch im Inneren sei. Für das Berufsleben will man seine Stärken (er)kennen und gewinnbringend einsetzen. Auch hier haben sich vielfältige Begrifflichkeiten gebildet: Kompetenzen, Qualifikationen, Schlüsselqualifikationen, Softskills, Handlungskompetenzen, Individualkompetenzen u.v.m. Höher, weiter, schneller soll es dabei gehen … immer mehr Leistung … die Konkurrenz ist groß. Wer sich gut verkauft, liegt vorne. An der Persönlichkeit feilen, damit sie wie ein feiner Schlüssel die gewünschten Türen öffnet. Persönlichkeit als Werkzeug … Persönlichkeit als Alleinstellungsmerkmal … Persönlichkeit als Marke! Und dennoch, eine gesunde und stabile Persönlichkeit ist für ein gesundes und erfüllendes Leben wichtig. Aber wie entsteht denn überhaupt eine Persönlichkeit? Um das zu beantworten müssen wir ja erst einmal bestimmen, was Persönlichkeit überhaupt ist. Dazu dient uns eine Definition aus dem Duden: „Persönlichkeit ist die umfassende Bezeichnung für die Beschreibung und Erklärung des einzigartigen und individuellen Musters von Eigenschaften eines Menschen, die relativ überdauernd dessen Verhalten bestimmen.“ Allport sieht zusätzlich noch eine „dynamische Organisation“, die im Menschen wirksam ist und Erich Fromm gibt einen Hinweis auf „ererbte und erworbene psychische Eigenschaften“. Damit wird die Anlage-Umwelt-Thematik in den Fokus gerückt. Der russische Psychologe Alexei Leontjew (1903 – 1979) geht noch einen Schritt weiter und schreibt in seinem Hauptwerk „Tätigkeit, Bewußtsein, Persönlichkeit“: „der Mensch tritt nur als ein mit bestimmten natürlichen Eigenschaften und Fähigkeiten begabtes Individuum in die Geschichte ein … und nur als Subjekt gesellschaftlicher Beziehungen wird er zur Persönlichkeit.“ Das bedeutet, die Persönlichkeit wird durch den Austausch mit der Umwelt erzeugt. Mit Definitionen könnten wir allerdings Seiten füllen. Das liegt an den verschiedenen psychologischen Schulen mit ihrem unterschiedlichen Verständnis des Menschen. Der Gründer einer psychologischen Schule ist dabei nicht frei von seiner eigenen Biografie. Und das sind Sie nicht und ich bin es auch nicht. Welche Disziplinen beschäftigen sich mit dem Thema Persönlichkeit? Welche verschiedenen Einflüsse vermutet man daher? In differenzierter Form spiegelt sich hier zudem das Anlage-Umwelt-Modell wider. Wie entsteht die Persönlichkeit? Der Säugling beißt in seinen Schnuller oder in einen anderen Gegenstand. Dann beißt der Säugling in seinen Finger und es tut weh. Er beißt mal hier drauf, mal da drauf, dann wieder auf einen Finger und es tut erneut weh. Vereinfacht gesagt, auf solchen und ähnlichen Wegen bildet sich die Wahrnehmung eines „Körper-Ich“ heraus. Der Säugling kann Anfangs zwischen Ich und Umwelt noch nicht unterscheiden. Daher sagte schon Freud, das frühe Ich sei zuerst und vor allem ein „Körper-Ich“ (erste Form der Identität). Der Säugling wird gesteuert von seinen Trieben, die das Überleben sichern und lebt nach dem Prinzip, Unlust zu vermeiden und Lust zu befriedigen. Auf der Basis der sensomotorischen Funktionen und Fähigkeiten des Körpers bilden sich nach und nach komplexere Erfahrungswerte heraus. Objekte werden als solche erkannt und vom Körper getrennt wahrgenommen. Sie bleiben zudem mehr und mehr in Erinnerung („Objektpermanenz“ nach Piaget). In dieser Trennung zwischen Subjekt und Objekt kann der Säugling daher und gerade erst dann lernen, auf Objekte einzuwirken. Auf dieser Grundlage, sowie mit der Entwicklung der Sprache, entstehen höhere mentale Funktionen. Mit der Sprache entsteht eine neue Welt, die aus Symbolen, Begriffen und Ideen besteht. Das entstehende mentale Ich kann äußere Objekte und auch den Körper mit seinen Vorgängen zum Gegenstand seiner Betrachtung machen. Diese Objekte existieren dann auch weiter ohne ihre Anwesenheit. Dadurch entsteht eine neue, abstraktere Form der Einflussnahme, mit der Objekte und Vorgänge gesteuert werden können. Zum Beispiel, das Aufschieben von Bedürfnissen oder die Entscheidung, auf etwas zu verzichten, zuliebe einer „höheren“ Errungenschaft (Sublimierung). Was hier beschrieben wird, geht auch mit einer weiteren wichtigen Entwicklung einher: der Erweiterung von Perspektiven. Das Kind erweitert kontinuierlich seine Perspektiven und lernt, das Leben weniger egozentrisch zu sehen und Perspektiven „von außen“ sowie aus der Sicht anderer einzunehmen. Ja, ich weiß. Diese Fähigkeit lässt so manch ein Erwachsener vermissen. Ab ca. vier Jahren beginnt das Kind unendlich viele Fragen zu stelle. Fragen, auf die wir als Erwachsene erst gar nicht (mehr) kommen und es werden Dinge in einer Art hinterfragt, die uns erstaunen lassen. In der Schule lernen dann die Kinder leider oft, dass manche der Fragen dumm oder falsch seien. Und sie lernen, welche Fragen die richtigen sind. Das reduziert leider deren Intelligenz enorm. Staunen und Fragen stellen ist der Beginn einer jeden Wissenschaft. Sprache ist zudem ein äußerst wichtiges Thema und da wir die Sprache eines Landes und einer Kultur so selbstverständlich lernen – und viele Kinder lernen zwei, drei Sprachen mühelos parallel – ist uns nicht bewusst, welches Wertesystem wir damit in uns aufnehmen. Sprache formt das Denken und das Denken „formt“ dann wiederum so vieles mehr. Das wäre vielleicht ein Thema für einen weiteren Blog. Nur zwei Zitate dazu: „Wir sind, was wir denken. Alles, was wir denken, entsteht mit unseren Gedanken. Mit unseren Gedanken machen wir die Welt!“ (Gautama Buddha) „Angehörige einer bestimmten Kultur kodifizieren die Erfahrungen gemäß den Kategorien des jeweiligen linguistischen Systems und erfassen nur das an Wirklichkeit, was ihnen kodifiziert begegnet.! (Dorothy Lee, 1950, amerikanische Anthropologin) Die Psychologin, Janes Loevinger, hat die Stufen der Kognitiven Entwicklung Piagets erweitert und in das Erwachsenenalter hinein fortgeschrieben. Piagets höchste Stufe ist die, des formal operationalen Bewusstseins, die sich ab 12 Jahren entwickelt. Der Mensch wird fähig, abstrakte Konzepte zu verstehen und zu entwickeln. Er entwickelt die Fähigkeit zum deduktiven Denken und er kann über sich, das Leben und die Welt reflektieren. Loevinger beschreibt in insgesamt neun Phasen die Fähigkeit zur und die Entwicklung von erweiterten Perspektiven, in denen „der andere“, das Umfeld verstärkt mit einbezogen und in seiner Autonomie und Freiheit respektiert wird. Loevinger geht nicht von einer „psychischen Instanz“, wie ein „Ich“ aus, sondern von einem Prozess, der die Gedanken und Erfahrungen eines Menschen organisiert. Die Entwicklung findet ein Leben lang statt. Diesem Ansatz oder Modell liegt ein konstruktivistisches Entwicklungsverständnis zugrunde. Das bedeutet, dass Strukturen, zum Beispiel Denkstrukturen, schrittweise aufgebaut werden, die eine auf der Basis der anderen, die vorherige in der nächsten aufgeht, also integriert wird, differenzierter und komplexer und damit auch stabiler wird. Loevinger war eine Schülerin von Erik H. Erikson, der ebenfalls ein Phasenmodell der menschlichen Entwicklung formuliert hat. Dieses stellt eine biodynamische und psychosoziale Entwicklung dar, die in ganz bestimmten Phasen ablaufen sollte, bei denen die einzelnen Phasen, jede für sich, ihre ganz eigene Zeit benötigt, in der sie zur Entfaltung kommen sollte. Es gibt einerseits einen biologischen, also auch angeborenen Aspekt, den es zu beachten und zu leben gilt und man kann nicht einen Schritt vor dem nächsten machen. Ansonsten entstehen Störungen in der Persönlichkeit. Diese Phasen werden von Krisen unterbrochen oder eher begleitet (sie müssen nicht heftig sein, können es aber, sie können ganz leicht im Hintergrund wirken), in denen es zur Neustrukturierung, zur Neustabilisierung und zur Entwicklung auf eine nächst höhere Stufe kommt. Damit einher gehen neue Werteentwicklungen sowie die Identifikation mit einer neuen Rolle. Erikson baut auf den Theorien Freuds auf, dehnt die Entwicklung der Phasen allerdings auf acht aus und stellt die Entwicklung als einen Prozess dar, der bis ins Erwachsenenalter hinein reicht, genau genommen, das gesamte Leben hindurch nicht endet. Und er hat einen soziokulturellen Aspekt hineingebracht, der die gegenseitige Beeinflussung von Kindern und Eltern, auch über mehrere Generationen hinweg und die Beeinflussung der Gesellschaft auf das Leben des Individuums beinhaltet (Erik H. Erikson: Identität und Lebenszyklus) Modelle der Persönlichkeit Die westliche Psychologie ist vorzugsweise eine „Ich-Psychologie“. In der Psychologie, aber auch im Alltagsverständnis werden häufig „Persönlichkeit“ und „Ich“, aber auch der Mensch an sich mit der Persönlichkeit gleichgesetzt. In der östlichen Psychologie, zum Beispiel im Buddhismus, ist dies anders. Da ist die Persönlichkeit etwas, mit der man sich identifiziert (hat). Und der Weg der Entwicklung ist die „Des-Identifikation“ mit der Persönlichkeit und damit auch mit dem Ich. Hirnforschung Nun gibt es aber auch aus einer ganz anderen und modernen wissenschaftlichen Disziplin neue Erkenntnisse und Aussagen, die vielleicht viele Menschen verunsichern werden. Nämlich aus der Gehirnforschung. Da behaupten Wissenschaftler, so etwas, wie ein Ich gäbe es gar nicht. Zumindest konnte man bisher kein Ich finden. Also keine zentrale, alles steuernde und übergeordnete Instanz. Stattdessen fand man heraus, dass unsere Funktionen, Wahrnehmungen und Reaktionen aus unterschiedlichen Gehirnarealen gesteuert werden. Und dass die Großhirnrinde (unser bewusstes Zentrum) nur nachträglich erklärt, was schon im Gehirn an anderer Stelle „entschieden“ wurde. Der Biologe und Hirnforscher, Gerhard Roth, kommt aufgrund eigener und Experimente weiterer Wissenschaftler zu dem Ergebnis, dass es so etwas, wie einen freien Willen gar nicht gibt. „Der freie Wille ist nur eine nützliche Illusion“. Ein allem zugrunde liegendes Ich gibt es nicht, sondern nur ein oszillierendes Bündel von unterschiedlichen Ich-Zuständen. Roth beschreibet acht Ich-Zustände. Diese lassen sich unterschiedlichen, sich überlappenden Netzwerken zuordnen. Das Körper-Ich gewährleistet das Bewusstsein, dass der Körper, in dem ein Mensch steckt, sein Körper ist. Das Verortungs-Ich gewährleistet das Bewusstsein, sich gerade an diesem Ort und nicht woanders zu befinden. Das perspektivische Ich vermittelt dem Menschen das Bewusstsein, den Mittelpunkt der von ihm erfahrenen Welt zu bilden. Das Ich als Erlebnissubjekt vermittelt dem Menschen das Bewusstsein, er selbst habe Wahrnehmungen, Ideen, Gefühle, und nicht etwa ein anderer. Das Autorschafts- und Kontroll-Ich vermittelt dem Menschen das Bewusstsein, dass er Verursacher und Kontrolleur seiner Gedanken und Handlungen ist. Das autobiographische Ich gewährleistet dem Menschen das Bewusstsein, auch heute derjenige zu sein, der er gestern war, und lässt ihn in seinen verschiedenen Empfindungen Kontinuität erleben. Das selbst-reflexive Ich macht es möglich, dass der Mensch über sich selbst nachdenkt. Das ethische Ich - das Gewissen vermittelt dem Menschen das Bewusstsein, es gebe in ihm eine Instanz, die ihm sagt oder befiehlt, was er zu tun und zu lassen habe. Diese verschiedenen Ich-Zustände erleben wir in aller Regel als ein einheitliches Ich. Gleichzeitig empfinden wir jedoch ein Auf und Ab der unterschiedlichsten Selbst-Empfindungen, in denen von einem Moment auf den anderen das Körperliche, das Perzeptive, das Emotionale oder das Kognitive vorherrscht. Die verschiedenen Ich-Zustände verbinden sich in ständigem Wechsel miteinander und schaffen so den "Strom der Ich-Empfindung" (Roth) "Die Wirklichkeit und ihr Ich sind Konstruktionen, welche das Gehirn in die Lage versetzen, komplexe Informationen zu verarbeiten, neue, unbekannte Situationen zu meistern und langfristige Handlungsplanung zu betreiben.“ Typenlehre Wir drehen die Zeit zurück um ca. 2500 Jahre. Auch damals gab es schon Persönlichkeitstheorien, die bis heute noch, mehr oder weniger, angewandt werden und zudem sehr praktikabel sind. Viele kennen jemanden, der oder die leicht aufbrausend ist, schnell „auf 180“ und dem eigenen Ärger gerne Luft macht. Einen solchen Menschen nennt man dann „cholerisch“. Man sagt zwar: „Hunde, die bellen, beißen nicht“, aber dennoch ist der Umgang mit diesem Typus für viele nicht so leicht. Die Temperamente Die Lehre der „Temperamente“ geht hauptsächlich zurück auf Galen und Hippokrates (dieser lebte 460 – 377 v.Chr.). Hippokrates ging von einer körperlichen Disposition aus, die darauf beruht, dass verschiedene Körpersäfte im Menschen vorherrschen. Beim Choleriker ist es die gelbe Galle („er spuckte Gift und Galle“), der Melancholiker hat einen Überschuss an schwarzer Galle und erlebt tiefe Gefühle, der Phlegmatiker (phlegma = Schleim) ist antriebsschwach, der Sanguiniker (sangus = Blut) ist eine sorglose und unbeständige Persönlichkeit. Die vorherrschenden Säfte bestimmen den Typ des Menschen und sein Verhalten. Aber der Zusammenhang zwischen diesen Säften und einer bestimmten Persönlichkeit konnte niemals nachgewiesen werden. Die moderne Temperamentsforschung wurde von den Kinderpsychiatern Thomas & Chess (1980) mit ihrer New York Longitudinal Study (NYLS) neu begründet. In dieser Studie konnte man bereits bei Kleinkindern in den ersten Lebensmonaten neun Temperamentsdimensionen bestimmen: Ablenkbarkeit, Aktivität, Annährung–Rückzug, Anpassungsfähigkeit, Aufmerksamkeitsdauer, Reaktionsintensität, sensorische Empfindlichkeit, Stimmungslage und Tagesrhythmus. Typenlehren gibt es zahlreiche und sie sind auch deswegen beliebt, weil man durch die Typisierung schnell ein vermeintlich eindeutiges Bild erhält, welches scheinbar leicht anzuwenden ist. In der Anwendung im Alltag jedoch werden sie dann wieder sehr komplex. Außerdem gibt es Mischtypen und dadurch werden diese „Persönlichkeiten“ wieder facettenreicher. Der jeweilige Typus reagiert entsprechend in verschiedenen Situationen und bei verschiedenen Anforderungen: Kommunikation, Interaktion, Arbeitsverhalten, Entscheidungsverhalten, Konfliktverhalten, … und selbstverständlich ist dies alles keine Mathematik. Modelle bleiben Modelle, die Realität ist stets sehr viel komplexer. Eine Landkarte gibt eine Orientierung. Aber erst wenn man den Weg geht oder fährt, erlebt man die Strecke und Umgebung mit allen Sinnen und Reizen. Es geht auf und ab, die Landschaft verändert sich. Welche Typenmodelle gibt es noch? Man zählt dazu die Astrologie, Numerologie, die Physiognomie, Naturell-Lehre und Körpertypen-Lehre. Aus Indien sind ebenfalls Körpertypen (Doshas) bekannt: Vata, Pitta und Kapha. Sie werden eher unter medizinischen Gesichtspunkten gesehen, aber unterscheiden sich ebenfalls im Verhalten. Auch hier kennt man Einflüsse durch den vorherrschenden Stoffwechsel und die Heilungserfolge bei chronischen Krankheiten sind äußerst hoch. In der chinesischen Medizin gibt ebenfalls Typenmodelle, die sich auf die Elemente beziehen: Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser. Danach wird gekocht und behandelt. Körperorientierte Modelle konnten sich in der westlichen Psychologie nie so recht durchsetzen. Das mag auch daran liegen, dass der Verstand mit seinen Funktionen und Leistungen in der westlichen Welt einen höheren Stellenwert besitzt und weil mit Descartes (1596 – 1650) eine Trennung zwischen Körper und Seele stattgefunden hat: „Ich denke also bin ich“. Diese Annahme einer Trennung zwischen Körper und Seele ist tief in das Denken von Medizinern und Naturwissenschaftlern eingedrungen. Aber der Körper hat weitaus mehr Einfluss auf unser Verhalten als viele ahnen. Denn der Körper ist die Quelle aller physischen Energie, die uns versorgt und er hat seine speziellen Bedürfnisse. Besonders dann, wenn die natürlichen körperlichen Funktionen unterdrückt werden. Bedürfnis nach Bewegung, Ausdruck, Nähe, Distanz, Sexualität, … Es entstehen Störungen, die tief auf die Psyche einwirken. Auf dieser Beobachtung und Erkenntnis haben sich körperorientierte Therapieverfahren entwickelt. Was auch gerne vergessen wird: das Gehirn ist ein Teil des Körpers. Und bevor dieses in der Embryonalentwicklung „vollständig“ ausgebildet ist, sind andere Organe schon früher voll funktionstätig. Zum Beispiel das Ohr (ab der zehnten Schwangerschaftswoche). Was das kleine und noch unvollständige Wesen wohl schon so früh hören möchte? Uns allen bekannte Formulierungen, wie “ich höre auf mein Herz“ oder „das war eine Bauchentscheidung“, werden durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse bestätigt. Zum Beispiel spricht man vom Herzen sowie vom Darm als zweites Gehirn. Denn es finden sich hier sehr komplexe neurologische Strukturen und hormonelle Aktivitäten, die denen des Gehirns entsprechen. Beide Organsysteme nehmen weitaus stärkeren Einfluss auf das Gehirn als bisher bekannt und haben zudem ein Eigenleben. Sogar die Zusammensetzung von Bakterien im Darm haben wahrscheinlich Einfluss auf unser Verhalten. C.G. Jung C.G. Jung (1875 – 1961) war ein Schüler Freuds, trennte sich jedoch von Freud aufgrund unterschiedlicher Ansichten zum Thema Sexualität und Freuds Libido-Theorie. Aufgrund seiner sehr aufmerksamen Beobachtungsgabe erkannte er bei seinen Mitmenschen zwei unterschiedliche Einstellungen zu sich selbst und ihrer Umwelt. Der eine Typ orientiert sich stark an seine Umwelt und den Mitmenschen, ist im Denken und Handel nach außen orientiert, kontaktfreudig und bestrebt, auf seine Umwelt aktiv einzuwirken. Der andere Typ ist eher nach innen gerichtet, beschäftigt sich mehr mit seinen inneren Vorgängen, Denken und Fühlen, ist eher zurückhaltend, was Kontakt betrifft, zögernd und verschlossen. Diese beiden Idealtypen nennt er: Extraversion und Introversion Idealtypen, weil sie jeweils am Ende eines Kontinuums stehen. Neben diesen beiden Grundtypen benennt C. G. Jung noch vier Grundfunktionen der Psyche, die unabhängig von Extraversion und Introversion auftreten. Es handelt sich dabei um die „rationalen Funktionen“ des Denkens und Fühlens (rational, weil wertend) und die „irrationalen Funktionen“ des Empfindens und Intuierens (irrational, weil nur wahrnehmend). Daraus ergeben sich acht Persönlichkeitstypen: Jung war ein Psychoanalytiker und damit ist sein Modell in erster Linie ein psychodynamisches Modell. Aber es beschreibt auch eine Typologie mit der Unterscheidung des extravertierten und introvertierten Menschen sowie der vier Funktionstypen. Jung hat weiterhin sogenannte Archetypen beschrieben, die aus dem kollektiven Unbewussten stammen. Für Jung gab es auch bewusste und unbewusste Zustände. Aber er unterschied zudem ein persönliches von einem kollektiven Unbewussten. In diesem kollektiven Unbewussten ist das geistige und seelische Erbe der Menschheitsgeschichte gesammelt. Ähnlich, wie es eine biologische Evolution gibt, in der die Geschichte der Entwicklung der Lebewesen enthalten ist. Da die Menschen durch die Geschichte hindurch stets ähnliche und gleiche Erfahrungen machen, bilden sich psychische Grundmuster heraus, die wie Grundmotive auf die menschliche Psyche wirken: die Archetypen. Jung beschreibt zwölf dieser Archetypen. Prof. Hans Eysenck Der deutsch-britische Psychologe, Hans Eysenck (1916 – 1997), hat das Modell der Temperamente sowie die Körpertypen nach Ernst Kretschmer (1888 – 1964) mit den beiden Einstellungstypen „Introversion“ und „Extraversion“ des Psychoanalytikers, C.G. Jung, verbunden und einen weiteren Aspekt hinzugefügt: den Neurotizismus. Das bedeutet das Spektrum, in dem ein Mensch eher „stabil“ oder eher „instabil“ in seinem Verhalten ist. Eysenck geht davon aus, dass die Neigung zu Introversion und Extraversion, sowie auch Neurotizismus genetisch bedingt ist und ihren Sitz im Gehirn und zentralen Nervensystem hat. Bei Introvertierten ist das Nervensystem eher ansprechbar und erregbar. Wird emotional auf Ereignisse reagiert, tritt die neurotische Dimension mehr in den Vordergrund. Introvertierte neigen aufgrund ihrer Sensibilität mehr zu Besorgnis. Bei extravertierten Menschen ist das Nervensystem weniger erregbar und daher suchen sie eher nach äußeren Stimulatoren und fühlen sich im Kontakt mit anderen Menschen eher wohl. Nach Eysenck ist die Persönlichkeit „die mehr oder weniger stabile und dauerhafte Organisation des Charakters, Temperaments, Intellekts und Körperbaus eines Menschen, die seine einzigartige Anpassung an die Umwelt bestimmt. Der Charakter eines Menschen bezeichnet das mehr oder weniger stabile und dauerhafte System seines konativen Verhaltens (des Willens); sein Temperament das mehr oder weniger stabile und dauerhafte System seines affektiven Verhaltens (der Emotion oder des Gefühls); sein Intellekt das mehr oder weniger stabile und dauerhafte System seines kognitiven Verhaltens (der Intelligenz); sein Körperbau das mehr oder weniger stabile System seiner physischen Gestalt und neuroendokrinen (hormonalen) Ausstattung“. Eysencks Persönlichkeitszirkel (Eysencks Persönlichkeitsmodell ist weniger ein Typologisches, sondern ein Faktorenmodell. Das heißt, es wurde aufgrund einer Vielzahl an Eigenschaften auf wenige Dimensionen reduziert.) Eduard Spranger Es gibt auch Typenmodelle, die sich mit einer geistigen Grundausrichtung beschäftigen. Zum Beispiel, welche Werte-Ausrichtung ein Mensch favorisiert. Eduard Spranger (1882 – 1963) war ein deutscher Pädagoge und hat maßgeblich daran mitgewirkt, dass die Pädagogik als eine eigenständige akademische Disziplin anerkannt wurde. Zudem beeinflusste er die Lehrerausbildung in Deutschland. Spranger geht von einer sechsfachen Gliederung der menschlichen Kultur aus, woraus sich sechs geistige Grundhaltungen herauskristallisieren: Theoretischer Mensch Ökonomischer Mensch Ästhetischer Mensch Politischer Mensch Sozialer Mensch Religiöser Mensch Bei Typenmodellen spricht man stets von Idealtypen. So ist das auch in diesem Fall. Es treten in der Realität meist komplexe Typen auf. Der Theoretiker mit politischer oder der Techniker mit ökonomischer Ausrichtung. Der „person-job-fit“ Ansatz John L. Holland (1919 – 2008) war ein amerikanischer Psychologe, der ein Karriereentwicklungsmodell entwickelt hat. Dieses Modell basiert darauf, dass Menschen ebenfalls Neigungen zu einer bestimmten Denk- und Wertestruktur haben, die in der Persönlichkeit verankert sind. Je nach Neigung entscheiden sie sich für ein bestimmtes berufliches Umfeld. Andersherum gesagt eignen sie sich demnach auch für ein bestimmtes berufliches Umfeld ganz besonders, weil sie aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur hier am besten passen. Dieser Ansatz ist auch bekannt unter der Abkürzung RIASEC-Modell. Holland unterscheidet sechs Grundpersönlichkeiten: Welcher Typ passt zudem zu welchem Umfeld: Vielen ist dieser Ansatz auch im Rahmen eines Berufsinteressen-Tests bekannt und wird gerne bei Berufseinsteigern eingesetzt. Tiefenpsychologie Sigmund Freud Sigmund Freud (1856 – 1939) entwickelte ein Modell der Persönlichkeit, welches man als psychodynamisches Modell, aber auch als Strukturmodel bezeichnen kann. Die Persönlichkeitsstruktur nach Freud besteht aus drei Instanzen: dem Es, dem Ich und dem Über-Ich. Das psychodynamische ergibt sich aus den ständigen Konflikten zwischen dem Es und dem Über-Ich sowie der Realität, zwischen denen das Ich vermittelt. Der Körper mit seinen Trieben, die zur Befriedigung drängen (Lustprinzip) ist die Quelle des Es. Das Neugeborene strebt aus dem Überlebensprinzip heraus nach Lusterfüllung und will Unlust vermeiden. Durch die Interaktion mit der Umwelt entstehen jedoch nach und nach Einschränkungen, mit denen das kleine Wesen zurechtkommen muss. Dies stellt Freud als den Konflikt zwischen dem Es und dem Über-Ich dar. Das Es wird in seinem Bestreben eingeschränkt und Triebe müssen verdrängt werden. Dadurch entsteht Angst, welche die erste Grundlage des Über-Ich darstellt. Das sich bildende Ich (Realitätsprinzip) vermittelt zwischen diesen beiden Instanzen und den Forderungen aus der Realität, indem es einen Abwehrmechanismus entwickelt. Dazu stehen ihm verschiedene Techniken zur Verfügung: Identifikation Der Mensch identifiziert sich mit einer stärkeren Persönlichkeit, um die eigenen Selbstzweifel zu überdecken. Projektion Das, was jemand an sich selbst ablehnt, wird auf andere Personen projiziert. Unliebsame Eigenschaften an einem selbst werden in anderen Menschen erkannt, statt in einem selbst. Rationalisierung Fehlverhalten wird mit vermeintlich rationalen Gründen erklärt. Reaktionsbildung Unliebsame Empfindungen werden ins Gegenteil umgewandelt (jemand engagiert sich für Nächstenliebe, weil er/sie die eigenen Aggressionen nicht wahrhaben will. Regression Rückfall in frühere, eigentlich bereits abgeschlossene Entwicklungsphasen. Sublimation Wenn primitive, sozial nicht akzeptierte Arten der Befriedigung von Bedürfnissen in sozial akzeptable umgewandelt und somit neutralisiert werden. Verdrängung Unangenehme und schmerzhafte Empfindungen werden aus dem Bewusstsein verdrängt. Verschiebung Negative Empfindungen werden nicht auf den/die UrheberIn gerichtet, sondern auf ein Ersatzobjekt. Widerstand Verdrängte Inhalte drängen zurück ins Bewusstsein. Der Versuch, sich dagegen zu wehren, wird als Widerstand bezeichnet. Abwehrmechanismen sind nach Freud bis zu einem gewissen Grad notwendig, damit sich eine Persönlichkeit heranbilden kann, die in einem gesellschaftlichen Kontext funktioniert. Ein Zuviel an Verdrängung führt jedoch zu Neurosen oder sogar zu Psychosen. Das erwachsene Ich richtet sich nach moralischen Prinzipien, es stellt das Realitätsprinzip dar und überprüft sich kritisch unter Beachtung des Über-Ich und des Es. Freud hatte viele Schüler und seine Psychoanalyse fand weite Verbreitung. Aber es gab auch immer wieder Schüler, die sich in Teilen von Freuds Theorien oder Ansätzen distanziert haben oder sie in Frage stellten. Sie gingen andere Wege und wurden meist schon bald aus der Psychoanalytischen Vereinigung ausgeschlossen. So, wie C.G. Jung, Alfred Adler oder Wilhelm Reich. Alfred Adler Alfred Adler (1870 – 1937) gründete daher eine eigene Vereinigung und begründete eine neue Psychologie, die Individualpsychologie. Seine Theorie von der menschlichen Entwicklung und Persönlichkeit unterschied sich sehr von der Freudschen. Der Mensch ist ein organisches Ganzes, eine unteilbare Einheit von Körper, Seele und Geist. Adler betont die soziale Persönlichkeit des Menschen: der Charakter bildet sich als Resultat aus der Begegnung mit anderen Menschen (Gemeinschaft). Der Mensch ist mehr durch Zukunftserwartungen motiviert als durch vergangene Ereignisse (Finalität). Seine Annahme war: der Mensch ist eher durch sein Bestreben nach Überwindung eines Minderwertigkeitsgefühls angetrieben. Zu Anfang eine Organminderwertigkeit sowie der Versuch einer Kompensation (durch andere Organe) bzw. Überkompensation (durch Training der minderwertigen Organe). Es können organische oder aber auch geistige Defizite vorliegen. Der Mensch entwickelt schon früh einen unbewussten, „geheimen“ Lebensplan. Die Mittel der Kompensation können von der Umwelt akzeptiert werden, angepasst sein, unakzeptiert oder auch fehlangepasst sein. Je nachdem entstehen daraus Konflikte. Aus einem Gefühl der Minderwertigkeit entsteht ein Streben nach Macht. Wilhelm Reich Wilhelm Reich (1897 – 1957) ist der Frage nach der Sexual- und Lebensenergie im Menschen tiefer nachgegangen und hat in der Libido eine biophysikalische Energie gesehen, die sowohl intrapsychische als auch intraorganismische Strukturen bildet. Freud war auf der Suche nach der Energie, die das neurotische Symptom unterhält. Reich glaubte in der organischen Panzerung die Blockade für die, ansonsten frei fließenden vegetativen Energie gefunden zu haben. Ein Beispiel soll die Entstehung von Charakter- und Körperstruktur durch Frustration der Triebwünsche verdeutlichen: Wird ein spontanes Verhalten, ein Bedürfnis im weitesten Sinne, von der Umgebung nicht beantwortet oder sogar in einer bestimmten Weise sanktioniert, entsteht Frustration. Diese Frustration äußert sich im Allgemeinen in Wut und Trauer, welche ein Säugling völlig selbstverständlich und spontan zum Ausdruck bringt. Der Säugling ist noch völlig ungepanzert, das heißt, sämtliche vegetative Energie fließt völlig frei und unbehindert gemäß den organismischen Bedürfnissen. Im ungünstigsten Fall wird auch diese spontan geäußerte Frustration mit Zurückweisung beantwortet, was bei Gefühlen wie Wut und Trauer häufig der Fall ist, denn sie sind für die Umgebung im höchsten Maße bedrohlich. Spätestens hier beginnt die eigentliche Verdrängung. Indem sich ein Teil der zurückgehaltenen Energie abspaltet und gegen sich selbst wendet, entsteht eine Panzerung, welche durch dieselbe Energie aufrechterhalten wird. Die Panzerung manifestiert sich aber in verschiedenen funktional identischen Formen. Auf körperlicher Ebene in Form einer muskulären Kontraktion, also Erhöhung des Muskeltonus oder aber einer Erschlaffung der Muskulatur, die den spontanen Ausdruck, d.h., die vegetative Energie zurückhalten. Im psychischen Bereich in Form von Abwehrmechanismen. An der Stelle, der gegen sich selbst gewendeten Energie, entsteht ein innerer sowie äußerer Kontaktverlust, während im äußeren Verhalten sich ein Ersatzkontakt entwickelt, der nichts mehr mit dem primären Impuls zu tun haben muss. Auf diesem Wege entstehen sowohl Charakterpanzer (Charakterstruktur) als auch Muskelpanzer (Körperhaltung, Körperstruktur), die angepasste Persönlichkeit also. In beiden ist die gesamte Entstehungsgeschichte enthalten. Die Konflikte jedoch sind der betroffenen Person in der Regel unbewusst. Ebenso die Art und Weise ihrer Körperhaltung und -reaktionen. Durch Charakteranalyse sowie Körperanalyse ist es möglich, unbewusstes Material der Reflexion zugänglich zu machen. Reich hatte körperorientierte Zugänge zur Psyche entwickelt. Unter anderem die vertiefte Atmung sowie weitere „Körperübungen“, die gepanzerte Energien und damit die Emotionen befreiten. Er nannte seine Therapie: Vegetotherapie. Er legte damit die Grundsteine späterer Körpertherapien und beeinflusste nachhaltig das moderne Verständnis von den Beziehungen zwischen Körper und Psyche in der Therapie. Für Reich war die gesunde Sexualität und Persönlichkeit synonym mit der frei fließenden organismischen Energie, d.h. mit der Gesamtheit der natürlichen Ausdrucksfähigkeiten des Menschen, ohne Funktionseinschränkung. Reich entwickelte einen gesellschaftskritischen Ansatz und untersuchte massenpsychologische Phänomene, wie zum Beispiel den Faschismus, der auf Unterdrückung der Sexualität aufbaut. Für Reich hat jede patriarchalische und regide Gesellschaftsordnung einen Nutzen von dieser Unterdrückung. (Collage aus Bildern aus dem Buch: „Die Rede an den kleinen Mann“ von Wilhelm Reich Behaviorismus Die Seele ist eine „Black Box“ Es war einmal ein Psychologe, der hatte einen Hund. Mit dem machte er gerne Experimente. Er hieß Pawlow. Also, der Psychologe hieß Pawlow, Iwan Pawlow (1849 – 1936), wie der Hund hieß, weiß ich nicht mehr. Und wie ein Hund so ist, sabberte er viel, wenn er etwas zu fressen sah. Der Hund kam in eine Vorrichtung, die gleichzeitig messen konnte, wieviel Speichel der Hund produzierte. Dem Hund wurde ein Leckerli gezeigt und daraufhin fing der Hund an, ordentlich zu sabbern. Dann wurde eine Glocke geläutet. Aber der Hund sabberte überhaupt nicht, wenn er die Glocke hörte. Warum auch?! Dann wurde immer wieder die Glocke geläutet und gleichzeitig das Leckerli gezeigt. Irgendwann sabberte der Hund schon allein, wenn er die Glocke hörte. Obwohl weit und breit kein Leckerli zu sehen oder zu riechen war. Daraus schloss Pawlow, dass der Hund etwas gelernt habe. Nämlich immer, wenn die Glocke läutet, gibt es Happi Happi. Igor - jetzt fällt es mir wieder ein - Igor hieß der Hund, hat also auf einen Reiz (unbedingter Reiz) mit einem angeborenen Verhalten (unbedingter Reflex) reagiert. Die Glocke wurde durch Wiederholung und in zeitlichem Zusammenhang mit dem unbedingten Reiz zu einem bedingten Reiz. Sabbert der Hund allein schon, wenn die Glocke ertönt, dann ist dieses Verhalten ein bedingtes Verhalten, der Reflex ein bedingter Reflex. Diese Art von Lernen nannte Pawlow „klassische Konditionierung“. Und schon war eine neue Psychologie geboren: der Behaviorismus. Nein, so einfach war es natürlich nicht. An dieser wissenschaftlichen Schule waren einige Forscher beteiligt. Zum Beispiel John B. Watson, der aus der Psychologie eine naturwissenschaftliche „objektive“ Methode machen wollte, was eine nachvollziehbare Berechtigung hat. Auch, wenn viele glauben, sie wären nicht konditionierbar, wie ein Hund oder eine Hündin, und weil es vielleicht kein besonders attraktives Menschenbild darstellt, so basiert der Behaviorismus grundsätzlich auf ganz wesentlichen und schwer von der Hand zu weisenden Prämissen. Was tatsächlich in einem Organismus passiert, kann man mit Genauigkeit nicht sagen. Zumindest nicht von außen. Das kann, wenn überhaupt, nur der Betroffene selbst sagen. Daher ist der Organismus für den klassischen Behaviorismus eine „Black Box“. Oder auch unser Gehirn. Aber man kann etwas messen, wenn die Parameter eindeutig formuliert sind: nämlich was rein geht und was raus geht. Also den oder die Reize, die auf einen Organismus treffen und die Reaktionen, die ein Organismus hervorbringt. Und das ist sehr gut quantifizierbar. Selbstverständlich muss das in Experimenten ganz genau gesteuert werden. Alle Reize, sprich die Umwelt, formt dem Behaviorismus nach (auch als Lerntheorie bekannt), die Persönlichkeit. Tiefere seelische Ebenen, wie die Psychoanalyse vermutet, die zudem erschlossen und interpretiert oder erfühlt werden müssen, interessieren hier nicht. Sondern nur messbare Faktoren. Neben der „klassischen Konditionierung“ (Beispiel „Hund“) gibt es die „operante Konditionierung“, die durch B.F. Skinner (1904 – 1990) geprägt wurde. Dabei verändert sich das Verhalten dadurch, dass es belohnt oder bestraft wird. Alle Eltern setzen diese Methoden mehr oder weniger in der Kindererziehung ein. Wenn das Kind brav war, dann bekommt es einen Riegel Schokolade. Das wäre eine positive Verstärkung. Wenn das Kind sich endlich an gewünschte Regeln hält, dann wird der Stubenarrest aufgehoben und es darf sich wieder mit den Freunden treffen. Der Stubenarrest entfällt. Das nennt man dann eine negative Verstärkung. Bei der Bestrafung ist es umgekehrt. Und das funktioniert eben nicht nur bei Kindern, auch Erwachsene sind dadurch formbar. Vielleicht wirkt da kein Riegel Schokolade mehr als Belohnung, sondern eher eine Bratwurst … oder es gibt Anerkennung auf geistiger Ebene: der „Mitarbeiter des Jahres“, oder ein verantwortungsvolles Mitglied der Gesellschaft. Was erlernt werden kann, kann auch wieder verlernt werden. Der Mensch hat also Einfluss auf sein eigenes Verhalten oder das der anderen. Daraus ist die Verhaltenstherapie entstanden. Lernen am Modell Lernen vollzieht sich sehr häufig und im Kindesalter ganz besonders, durch die Orientierung an Vorbildern. Kinder sind hervorragende und äußerst aufmerksame Beobachter und orientieren sich selbstverständlich bevorzugt an ihrer Umgebung und an ihre Bezugspersonen. Sie sehen, was andere tun und imitieren deren Verhalten gerne. Dadurch lernen sie. Man nennt dieses Lernen auch: „Lernen am Modell“. Und dieses Lernen betrifft nicht nur das Verhalten, sondern auch Einstellungen, Werte, Urteile und Gefühlsstrukturen. „Lernen am Modell“ ist eine sozialkognitive Lerntheorie, die von Albert Bandura (1925 – 2021) entwickelt wurde. Das verweist auf den sozialen Aspekt der Interaktion und auf den Aspekt, dass das Beobachtete auch aktiv verarbeitet werden kann (kognitiv). Dies passiert mit zunehmendem Alter. Dann können aber schon bestimmte Grundlagen vorhanden sein, auf die dann unbemerkt weiter aufgebaut wird. Karl Valentin sagte treffend. „Wir brauchen unsere Kinder nicht zu erziehen, sie machen uns sowieso alles nach!“ Der Lerneffekt muss nach Bandura zudem nicht sofort erkennbar werden. Er kann sich auch erst sehr viel später zeigen oder durch Modellierungseffekte in späteren ganz unterschiedlichen Kontexten wieder auftauchen. Auch Beschreibungen reichen schon, damit ein Lernprozess stattfindet und das Erlernte kann auf andere Bereiche übertragen werden. Kultur, gleichgültig welchen Inhalts und welcher Qualität, dringt so in jeden Menschen ein und wirkt. Es gibt ein Medium, welches sich zur Konditionierung ganz besonders eignet, das ist das Fernsehen und in seiner Erweiterung, das Internet. Denn diese Medien bieten alles, was zur Konditionierung notwendig ist: Bilder, Emotionen, Sprache (Information und Botschaft), unterschwellige Botschaften, Belohnung („Leckerli“), Wiederholung („Glocke“) und Verknüpfung unendlich vieler Aspekt, die nichts miteinander zu tun haben müssen („Leckerli und Glocke). Und das funktioniert nicht nur bei Kindern und das weiß man! Die Industrie nutzt diese Aspekte schon lange und daher hat Werbung einen solch hohen Stellenwert. Aber auch die Politik und die Medien sind sich der Möglichkeiten bewusst und nutzen diese zur Meinungsbildung. Humanistische Ansätze Die Tiefenpsychologie und der Behaviorismus waren einseitig auf psychopathologische Erscheinungen ausgerichtet. Das heißt, sie lagen ihren Fokus auf die „kranken“ Aspekte des Menschen. Freuds gesammelte Werke sollen über vierhundert Äußerungen über Neurose enthalten, aber keine einzige über Gesundheit. In den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts wandten sich immer mehr Psychologen den gesunden Aspekten des Menschen zu, bzw. fragten sich, was ist eigentlich eine gesunde Persönlichkeit und wie sieht die Selbstverwirklichung und Entfaltung des Menschen aus? Das „warum“ der Psychoanalyse wurde ausgetauscht in ein „wie“ und damit wurden die Fähigkeit des wachsamen Erlebens, das Bewusstsein im „Hier und Jetzt“ sowie die Frage nach dem Sinn zu zentralen Aspekten der Betrachtung. Die Humanistische Psychologie wollte den Menschen als Ganzes erfassen und ihn nicht in seine Einzelteile zerlegen und diese dann untersuchen. Eine ganzheitliche Sichtweise schließt das unmittelbare Erleben des Menschen ein und, in einer therapeutischen Situation, auch die Anwesenheit und den Einfluss des Therapeuten mit seiner Persönlichkeit und Geschichte. Das veränderte die therapeutische Arbeit grundlegend und öffnete die Türen für ganz neue Methoden und Ansätzen. Kernpostulate der Humanistischen Psychologie wurden demnach: Menschliche Wesen sind mehr als “die Summe ihrer Teile” Menschliche Wesen leben in zwischenmenschlichen Beziehungen und Kontexten Menschliches Bewusstsein beinhaltet ein Selbst-Bewusstsein, dass erweiterbar und schärfbar ist Menschliche Wesen besitzen Wahlmöglichkeiten und Verantwortlichkeiten – d.h. sie können entscheiden Was ist ein gesunder und erfüllter Mensch und vor allem, wie ist er und wie fühlt, lebt und agiert dieser Mensch? Man wandte sich dem Studium solcher erfüllten und selbstverwirklichten Menschen zu. Man wandte sich den Themen Religion, Spiritualität und Gipfelerfahrungen zu. “Selbstverwirklichende Menschen, Menschen also, die einen hohen Grad der Reife, Gesundheit und Selbsterfüllung erreicht haben, können uns so viel lehren, dass sie manchmal fast wie eine andere Rasse menschlicher Wesen erscheinen.” (Prof. Abraham H. Maslow) Abraham Maslow (1908 – 1970) beschäftigte sich unter anderem auch mit den menschlichen Bedürfnissen. Er postulierte, dass der Mensch seine grundlegenden Bedürfnisse würdigen sollte und sich dann den höheren sozialen Bedürfnissen und den Bedürfnissen der Selbstverwirklichung zu zuwenden. Daraus ist eine „Hierarchie der Bedürfnisse“ entstanden. Die Humanistische Psychologie bietet nicht wirklich ein neues Persönlichkeitsmodell, in der Art, wie wir es bisher gelesen haben, sondern eher ein besonderes Verständnis der menschlichen Natur. Sie ist eher eine Anthropologie. Die Grundannahmen der Humanistischen Psychologie sind: Der Mensch verfügt über einen freien Willen (Freiheit satt Determinismus) Der Mensch ist von Natur aus gut Menschliche Werte, Kreativität und die aktive Natur des Menschen stehen im Mittelpunkt Menschen streben nach Selbstverwirklichung Carl Rogers (1902 – 1987), einer der Mitbegründer der Humanistischen Psychologie und Begründer der „Klientenzentrierten Psychotherapie“ (Gesprächspsychotherapie), geht davon aus, dass der Mensch im Laufe seines Lebens ein Selbstkonzept entwickelt. Es entsteht durch die verschiedenen Erfahrungen, die ein Mensch über sich selbst macht und spiegelt das wider, was man selbst über sich zu wissen glaubt. Darunter versteht man das Selbstbild des Menschen. Wer oder was bin ich und was kann ich. Das Selbstkonzept hat Einfluss auf innere Prozesse sowie auf das Verhalten zur Umwelt. Das Selbstkonzept muss nicht der Realität entsprechen. Unterschätzt sich ein Mensch selbst, dann hat er ein geringes Selbstwertgefühl. Es gibt ein ideales Selbst (so will ich sein) und ein reales Selbst (so bin ich wirklich). Wenn zwischen diesen beiden Selbst-Bildern eine zu große Diskrepanz auftritt, dann kommt es zu Konflikten mit der Umwelt und mit sich selbst: Unzufriedenheit, Spannungszustände in der Person und mit der Umwelt, Unglücklichsein, … Rogers versteht das Selbst aber nicht wie Freud als eine innere Instanz, sondern als ein Objekt psychischer Prozesse. So wie Denken, Erinnern und Wahrnehmen. Das Selbstkonzept oder auch Selbstbild (dazu gehört auch das Körperbild) entwickelt sich in der Interaktion mit der Umwelt und unterliegt einem ständigen dynamischen Prozess, der niemals endet. Das Selbst ist ein „soziales Konstrukt“, es entsteht aus Bewertungen der Umwelt sowie der eigenen. Bewertungen werden durch Identifikation übernommen oder abgelehnt und im Rahmen dieses Prozesses entsteht das Selbst als die organisierte Menge an Eigenschaften, die von der Person als etwas Eigenes empfunden wird: das bin ich! Eine weitere Kraft im Menschen, die angeboren ist, nannte Rogers die Aktualisierungstendenz oder auch Selbstaktualisierung, das Streben nach Selbstverwirklichung. „Der Organismus hat eine grundlegende Tendenz und ein wesentliches Streben, den Erfahrungen machenden Organismus zu verwirklichen, aufrechtzuerhalten und zu erhöhen.“ (Carl Rogers) Die Aktualisierungstendenz ist die Tendenz eines jeden Menschen, seine Möglichkeiten so auszuschöpfen, dass sie der Erhaltung und Förderung des Organismus dienen. Das bedeutet nichts anderes, als dass Menschen jede Erfahrung, die sie machen, danach bewerten, ob sie gut oder schlecht für sie selbst ist. Erfahrungen werden zudem mit dem Selbstbild abgeglichen. Das Selbstbild soll aufrecht erhalten bleiben, auch wenn sich die Persönlichkeit von der Realität entfernt. Der Organismus ist bestrebt, eine innere Übereinstimmung mit dem Selbstbild aufrecht zu erhalten. Das nennt Rogers „Selbst-Konsistenz“. Eine gesunde Persönlichkeit entsteht aus der Interaktion mit der Umwelt, bei der sich eine hohe Übereinstimmung (Kongruenz) zwischen dem realen Selbst und dem idealen Selbst entwickelt. Das reale Selbst ist das, was wir sind und das ideale Selbst ist das, was wir sein wollen. Reales Selbst und ideales Selbst in Übereinstimmung: „Kongruenz“ Im Verlaufe dieses Prozesses gewinnt die Persönlichkeit an Reife. Eine reife Persönlichkeit nach Rogers entwickelt verschiedene Einstelllungen und Haltungen, die zur Selbstverwirklichung führen: Selbstverantwortlichkeit für das eigene Tun und für das eigene Leben Selbstachtung und Wertschätzung Entwicklung von Lebenswerten Selbstvertrauen entwickeln, Vertrauen ins Leben Offenheit für (neue) Erfahrungen, sich selbst erleben und wahrnehmen, Gefühle und innere Vorgänge erkennen Aus der Vergangenheit lernen, die Zukunft aktiv planen, aber im Hier und Jetzt leben Freiheit entwickeln, indem wir bewusste Entscheidungen treffen und diese verantworten Selbstverwirklichung auch im sozialen Kontext zu praktizieren, Kreativität, frei schöpferisch zu sein und anderen auf ihren Weg der Selbstentfaltung zu unterstützen. „Sie brauchen keine neuen Methoden, sondern eine andere Haltung. Kein Ansatz, der sich auf Wissen, auf Training, auf die Annahme irgendeiner Lehre verlässt, kann auf Dauer von Nutzen sein. Haltung ist entscheidend nicht Worte.“ Prof. Dr. Carl Ranson Rogers Und nun?! Nun haben wir einen kleinen Ausschnitt aus der Persönlichkeitspsychologie kennen gelernt und es gäbe noch so vieles dazu zu sagen. Wie hilft uns dieses Wissen nun weiter, können wir uns damit nun besser verstehen? Gerade die Psychologie, genauso wie Philosophie und Theologie, haben so viele und unterschiedliche Sichtweisen und Meinungen über die Natur des Menschen. Sie können spalten oder aber auch verbinden. Häufig spalten sie, denn es geht um etwas sehr Wichtiges, das Wichtigste vielleicht überhaupt: unseren Selbst-Wert! „Wie kann man das denn nicht verstehen?! Das ist doch ganz selbstverständlich!“ Hört man so oft. „Sei doch nicht immer so …“ oder „wie kann man sich in einer solchen Situation nur so verhalten?! Da treffen manchmal ganz verschiedene Persönlichkeiten aufeinander und die Gräben dazwischen können tief sein. Unterschiedliche Kulturen innerhalb einer Gesellschaft müssen heute miteinander zurechtkommen, miteinander leben und arbeiten. Gegensätze ziehen sich aber auch an, das Fremde und Andere kann sehr attraktiv sein. Aber auf Dauer verlangt ein Zusammenleben viel Flexibilität und Toleranz. Schauen wir aber erst einmal im eigenen Umfeld, da finden sich zahlreiche Beispiele für Missverständnisse, Konflikte und Spannungen, die auf unterschiedlichen Einstellungen, Ansichten, Verhaltensweisen, Erwartungen und Bedürfnissen zu tun haben. In der eigenen Familie sind nicht alle gleich, die Persönlichkeitsunterschiede können durchaus groß sein. Im Arbeitsleben stellen die größten Herausforderungen die Kommunikation, Interaktion, Teamarbeit, Führungsaufgaben und Kundenservice, eben „die anderen“ dar. Und aufgrund von Konflikten im zwischenmenschlichen Bereich geht viel Kraft, Zeit, Motivation und Geld verloren. Die eigene und die Persönlichkeitsstruktur der anderen zu verstehen und zu akzeptieren, kann hier schon eine große Hilfe sein. Die Suche nach dem „Selbst“ Um an eine Eingangsfrage anzuknüpfen: Gibt es überhaupt ein „Ich“ von dem wir so selbstverständlich sprechen? Muss an der „Persönlichkeit“ eigentlich gearbeitet werden? Wird sie entdeckt, entwickelt, entfaltet oder sollte ich mich von ihr lösen? Wir haben dazu aus der Wissenschaft ganz unterschiedliche Meinungen gehört. Aus der Gehirnforschung: es gibt gar kein Ich. Die alten Griechen: die Säfte, also der Stoffwechsel Die Behavioristen: eine Black Box, der konditionierte Mensch Tiefenpsychologie: Triebe, Über-Ich, Verdrängung und Unbewusstes, dazwischen das Ich Das Ich als Ergebnis eines Minderwertigkeitsgefühls, das überwunden werden will? Ursache-Wirkung oder durch Ziele bestimmt? Die Persönlichkeit: ein Charakterpanzer? Alles angeboren oder durch die Umwelt erworben? Erziehung, Gesellschaft oder erlernt an Vorbildern? Der Mensch als Wesen, welches sich entfalten und höher entwickeln möchte? Oder von allem etwas? Und wie hilft uns das nun weiter? Benötigen wir ein konkretes Handwerkszeug, um uns auf den Weg zu machen? Sowas, wie eine Ausrüstung, um einen Berg zu erklimmen. Geht die Reise nach oben, in die Tiefe, in die Vergangenheit oder nach Innen? Welche Vorstellungen haben Sie von sich selbst? Welchen Einfluss hatte dabei Kindheit, Elternhaus oder Schule? Wie erleben sie sich in verschiedenen Situationen? Was sagen die Menschen aus Ihrem Umfeld? Welche Reaktionen auf das eigene Handeln von Ihren Mitmenschen haben Sie manchmal, öfters, regelmäßig wahrgenommen? Gibt es Konflikte, Spannungen, mit wem ist die Zusammenarbeit angenehm und störungsfrei, mit wem verstehen Sie sich mit Leichtigkeit? Fühlen Sie sich erfüllt, am richtigen Platz, ausgeglichen? Leben Sie Ihr Potential, kennen Sie Ihre Stärken? Leben Sie das Leben, was Sie sich wünschen? Was bedeutet für Sie Selbstverwirklichung? Sind solche oder andere Fragen der Weg zur Erkenntnis? Ja, Fragen waren stets ein wesentlicher Schlüssel, um sich oder etwas besser zu verstehen. Sie haben hoffentlich das Fragenstellen noch nicht aufgegeben! Die richtigen Fragen zu stellen ist ein wichtiges Handwerkszeug auf dem Weg zur Erkenntnis. Große Teile der Wissenschaft suggerieren, dass sie schon alles wüssten und verstanden hätten. Der Mensch glaubt das gerne und fühlt sich so in „Sicherheit“. Der Mutige macht such auf den Weg ins Unbekannte. „Wenn ich nicht weiß, dass ich nicht weiß, dann glaube ich, ich weiß!“ (Ronald D. Laing, 1972) „Ich weiß, dass ich nicht weiß!“ (Sokrates) Knut Diederichs, 14.10.2022 Copyright: Das Kopieren und die Weiterverarbeitung von Text, Textpassagen oder Grafiken aus diesem Artikel unterliegt dem Copyright.
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Wer bin ich und wenn ja, wie viele? Die Persönlichkeit hat viele Facetten
Behaviorismus Die Seele ist eine „Black Box“ Es war einmal ein Psychologe, der hatte einen Hund. Mit dem machte er gerne Experimente. Er hieß Pawlow. Also, der Psychologe hieß Pawlow, Iwan Pawlow (1849 – 1936), wie der Hund hieß, weiß ich nicht mehr. Und wie ein Hund so ist, sabberte er viel, wenn er etwas zu fressen sah. Der Hund kam in eine Vorrichtung, die gleichzeitig messen konnte, wieviel Speichel der Hund produzierte. Dem Hund wurde ein Leckerli gezeigt und daraufhin fing der Hund an, ordentlich zu sabbern. Dann wurde eine Glocke geläutet. Aber der Hund sabberte überhaupt nicht, wenn er die Glocke hörte. Warum auch?! Dann wurde immer wieder die Glocke geläutet und gleichzeitig das Leckerli gezeigt. Irgendwann sabberte der Hund schon allein, wenn er die Glocke hörte. Obwohl weit und breit kein Leckerli zu sehen oder zu riechen war. Daraus schloss Pawlow, dass der Hund etwas gelernt habe. Nämlich immer, wenn die Glocke läutet, gibt es Happi Happi. Igor - jetzt fällt es mir wieder ein - Igor hieß der Hund, hat also auf einen Reiz (unbedingter Reiz) mit einem angeborenen Verhalten (unbedingter Reflex) reagiert. Die Glocke wurde durch Wiederholung und in zeitlichem Zusammenhang mit dem unbedingten Reiz zu einem bedingten Reiz. Sabbert der Hund allein schon, wenn die Glocke ertönt, dann ist dieses Verhalten ein bedingtes Verhalten, der Reflex ein bedingter Reflex. Diese Art von Lernen nannte Pawlow „klassische Konditionierung“. Und schon war eine neue Psychologie geboren: der Behaviorismus. Nein, so einfach war es natürlich nicht. An dieser wissenschaftlichen Schule waren einige Forscher beteiligt. Zum Beispiel John B. Watson, der aus der Psychologie eine naturwissenschaftliche „objektive“ Methode machen wollte, was eine nachvollziehbare Berechtigung hat. Auch, wenn viele glauben, sie wären nicht konditionierbar, wie ein Hund oder eine Hündin, und weil es vielleicht kein besonders attraktives Menschenbild darstellt, so basiert der Behaviorismus grundsätzlich auf ganz wesentlichen und schwer von der Hand zu weisenden Prämissen. Was tatsächlich in einem Organismus passiert, kann man mit Genauigkeit nicht sagen. Zumindest nicht von außen. Das kann, wenn überhaupt, nur der Betroffene selbst sagen. Daher ist der Organismus für den klassischen Behaviorismus eine „Black Box“. Oder auch unser Gehirn. Aber man kann etwas messen, wenn die Parameter eindeutig formuliert sind: nämlich was rein geht und was raus geht. Also den oder die Reize, die auf einen Organismus treffen und die Reaktionen, die ein Organismus hervorbringt. Und das ist sehr gut quantifizierbar. Selbstverständlich muss das in Experimenten ganz genau gesteuert werden. Alle Reize, sprich die Umwelt, formt dem Behaviorismus nach (auch als Lerntheorie bekannt), die Persönlichkeit. Tiefere seelische Ebenen, wie die Psychoanalyse vermutet, die zudem erschlossen und interpretiert oder erfühlt werden müssen, interessieren hier nicht. Sondern nur messbare Faktoren. Neben der „klassischen Konditionierung“ (Beispiel „Hund“) gibt es die „operante Konditionierung“, die durch B.F. Skinner (1904 – 1990) geprägt wurde. Dabei verändert sich das Verhalten dadurch, dass es belohnt oder bestraft wird. Alle Eltern setzen diese Methoden mehr oder weniger in der Kindererziehung ein. Wenn das Kind brav war, dann bekommt es einen Riegel Schokolade. Das wäre eine positive Verstärkung. Wenn das Kind sich endlich an gewünschte Regeln hält, dann wird der Stubenarrest aufgehoben und es darf sich wieder mit den Freunden treffen. Der Stubenarrest entfällt. Das nennt man dann eine negative Verstärkung. Bei der Bestrafung ist es umgekehrt. Und das funktioniert eben nicht nur bei Kindern, auch Erwachsene sind dadurch formbar. Vielleicht wirkt da kein Riegel Schokolade mehr als Belohnung, sondern eher eine Bratwurst … oder es gibt Anerkennung auf geistiger Ebene: der „Mitarbeiter des Jahres“, oder ein verantwortungsvolles Mitglied der Gesellschaft. Was erlernt werden kann, kann auch wieder verlernt werden. Der Mensch hat also Einfluss auf sein eigenes Verhalten oder das der anderen. Daraus ist die Verhaltenstherapie entstanden. Lernen am Modell Lernen vollzieht sich sehr häufig und im Kindesalter ganz besonders, durch die Orientierung an Vorbildern. Kinder sind hervorragende und äußerst aufmerksame Beobachter und orientieren sich selbstverständlich bevorzugt an ihrer Umgebung und an ihre Bezugspersonen. Sie sehen, was andere tun und imitieren deren Verhalten gerne. Dadurch lernen sie. Man nennt dieses Lernen auch: „Lernen am Modell“. Und dieses Lernen betrifft nicht nur das Verhalten, sondern auch Einstellungen, Werte, Urteile und Gefühlsstrukturen. „Lernen am Modell“ ist eine sozialkognitive Lerntheorie, die von Albert Bandura (1925 – 2021) entwickelt wurde. Das verweist auf den sozialen Aspekt der Interaktion und auf den Aspekt, dass das Beobachtete auch aktiv verarbeitet werden kann (kognitiv). Dies passiert mit zunehmendem Alter. Dann können aber schon bestimmte Grundlagen vorhanden sein, auf die dann unbemerkt weiter aufgebaut wird. Karl Valentin sagte treffend. „Wir brauchen unsere Kinder nicht zu erziehen, sie machen uns sowieso alles nach!“ Der Lerneffekt muss nach Bandura zudem nicht sofort erkennbar werden. Er kann sich auch erst sehr viel später zeigen oder durch Modellierungseffekte in späteren ganz unterschiedlichen Kontexten wieder auftauchen. Auch Beschreibungen reichen schon, damit ein Lernprozess stattfindet und das Erlernte kann auf andere Bereiche übertragen werden. Kultur, gleichgültig welchen Inhalts und welcher Qualität, dringt so in jeden Menschen ein und wirkt. Es gibt ein Medium, welches sich zur Konditionierung ganz besonders eignet, das ist das Fernsehen und in seiner Erweiterung, das Internet. Denn diese Medien bieten alles, was zur Konditionierung notwendig ist: Bilder, Emotionen, Sprache (Information und Botschaft), unterschwellige Botschaften, Belohnung („Leckerli“), Wiederholung („Glocke“) und Verknüpfung unendlich vieler Aspekt, die nichts miteinander zu tun haben müssen („Leckerli und Glocke). Und das funktioniert nicht nur bei Kindern und das weiß man! Die Industrie nutzt diese Aspekte schon lange und daher hat Werbung einen solch hohen Stellenwert. Aber auch die Politik und die Medien sind sich der Möglichkeiten bewusst und nutzen diese zur Meinungsbildung. Humanistische Ansätze Die Tiefenpsychologie und der Behaviorismus waren einseitig auf psychopathologische Erscheinungen ausgerichtet. Das heißt, sie lagen ihren Fokus auf die „kranken“ Aspekte des Menschen. Freuds gesammelte Werke sollen über vierhundert Äußerungen über Neurose enthalten, aber keine einzige über Gesundheit. In den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts wandten sich immer mehr Psychologen den gesunden Aspekten des Menschen zu, bzw. fragten sich, was ist eigentlich eine gesunde Persönlichkeit und wie sieht die Selbstverwirklichung und Entfaltung des Menschen aus? Das „warum“ der Psychoanalyse wurde ausgetauscht in ein „wie“ und damit wurden die Fähigkeit des wachsamen Erlebens, das Bewusstsein im „Hier und Jetzt“ sowie die Frage nach dem Sinn zu zentralen Aspekten der Betrachtung. Die Humanistische Psychologie wollte den Menschen als Ganzes erfassen und ihn nicht in seine Einzelteile zerlegen und diese dann untersuchen. Eine ganzheitliche Sichtweise schließt das unmittelbare Erleben des Menschen ein und, in einer therapeutischen Situation, auch die Anwesenheit und den Einfluss des Therapeuten mit seiner Persönlichkeit und Geschichte. Das veränderte die therapeutische Arbeit grundlegend und öffnete die Türen für ganz neue Methoden und Ansätzen. Kernpostulate der Humanistischen Psychologie wurden demnach: Menschliche Wesen sind mehr als “die Summe ihrer Teile” Menschliche Wesen leben in zwischenmenschlichen Beziehungen und Kontexten Menschliches Bewusstsein beinhaltet ein Selbst- Bewusstsein, dass erweiterbar und schärfbar ist Menschliche Wesen besitzen Wahlmöglichkeiten und Verantwortlichkeiten – d.h. sie können entscheiden Was ist ein gesunder und erfüllter Mensch und vor allem, wie ist er und wie fühlt, lebt und agiert dieser Mensch? Man wandte sich dem Studium solcher erfüllten und selbstverwirklichten Menschen zu. Man wandte sich den Themen Religion, Spiritualität und Gipfelerfahrungen zu. “Selbstverwirklichende Menschen, Menschen also, die einen hohen Grad der Reife, Gesundheit und Selbsterfüllung erreicht haben, können uns so viel lehren, dass sie manchmal fast wie eine andere Rasse menschlicher Wesen erscheinen.” (Prof. Abraham H. Maslow) Abraham Maslow (1908 – 1970) beschäftigte sich unter anderem auch mit den menschlichen Bedürfnissen. Er postulierte, dass der Mensch seine grundlegenden Bedürfnisse würdigen sollte und sich dann den höheren sozialen Bedürfnissen und den Bedürfnissen der Selbstverwirklichung zu zuwenden. Daraus ist eine „Hierarchie der Bedürfnisse“ entstanden. Die Humanistische Psychologie bietet nicht wirklich ein neues Persönlichkeitsmodell, in der Art, wie wir es bisher gelesen haben, sondern eher ein besonderes Verständnis der menschlichen Natur. Sie ist eher eine Anthropologie. Die Grundannahmen der Humanistischen Psychologie sind: Der Mensch verfügt über einen freien Willen (Freiheit satt Determinismus) Der Mensch ist von Natur aus gut Menschliche Werte, Kreativität und die aktive Natur des Menschen stehen im Mittelpunkt Menschen streben nach Selbstverwirklichung Carl Rogers (1902 – 1987), einer der Mitbegründer der Humanistischen Psychologie und Begründer der „Klientenzentrierten Psychotherapie“ (Gesprächspsychotherapie), geht davon aus, dass der Mensch im Laufe seines Lebens ein Selbstkonzept entwickelt. Es entsteht durch die verschiedenen Erfahrungen, die ein Mensch über sich selbst macht und spiegelt das wider, was man selbst über sich zu wissen glaubt. Darunter versteht man das Selbstbild des Menschen. Wer oder was bin ich und was kann ich. Das Selbstkonzept hat Einfluss auf innere Prozesse sowie auf das Verhalten zur Umwelt. Das Selbstkonzept muss nicht der Realität entsprechen. Unterschätzt sich ein Mensch selbst, dann hat er ein geringes Selbstwertgefühl. Es gibt ein ideales Selbst (so will ich sein) und ein reales Selbst (so bin ich wirklich). Wenn zwischen diesen beiden Selbst-Bildern eine zu große Diskrepanz auftritt, dann kommt es zu Konflikten mit der Umwelt und mit sich selbst: Unzufriedenheit, Spannungszustände in der Person und mit der Umwelt, Unglücklichsein, … Rogers versteht das Selbst aber nicht wie Freud als eine innere Instanz, sondern als ein Objekt psychischer Prozesse. So wie Denken, Erinnern und Wahrnehmen. Das Selbstkonzept oder auch Selbstbild (dazu gehört auch das Körperbild) entwickelt sich in der Interaktion mit der Umwelt und unterliegt einem ständigen dynamischen Prozess, der niemals endet. Das Selbst ist ein „soziales Konstrukt“, es entsteht aus Bewertungen der Umwelt sowie der eigenen. Bewertungen werden durch Identifikation übernommen oder abgelehnt und im Rahmen dieses Prozesses entsteht das Selbst als die organisierte Menge an Eigenschaften, die von der Person als etwas Eigenes empfunden wird: das bin ich! Eine weitere Kraft im Menschen, die angeboren ist, nannte Rogers die Aktualisierungstendenz oder auch Selbstaktualisierung, das Streben nach Selbstverwirklichung. „Der Organismus hat eine grundlegende Tendenz und ein wesentliches Streben, den Erfahrungen machenden Organismus zu verwirklichen, aufrechtzuerhalten und zu erhöhen.“ (Carl Rogers) Die Aktualisierungstendenz ist die Tendenz eines jeden Menschen, seine Möglichkeiten so auszuschöpfen, dass sie der Erhaltung und Förderung des Organismus dienen. Das bedeutet nichts anderes, als dass Menschen jede Erfahrung, die sie machen, danach bewerten, ob sie gut oder schlecht für sie selbst ist. Erfahrungen werden zudem mit dem Selbstbild abgeglichen. Das Selbstbild soll aufrecht erhalten bleiben, auch wenn sich die Persönlichkeit von der Realität entfernt. Der Organismus ist bestrebt, eine innere Übereinstimmung mit dem Selbstbild aufrecht zu erhalten. Das nennt Rogers „Selbst-Konsistenz“. Eine gesunde Persönlichkeit entsteht aus der Interaktion mit der Umwelt, bei der sich eine hohe Übereinstimmung (Kongruenz) zwischen dem realen Selbst und dem idealen Selbst entwickelt. Das reale Selbst ist das, was wir sind und das ideale Selbst ist das, was wir sein wollen. Reales Selbst und ideales Selbst in Übereinstimmung: „Kongruenz“ Im Verlaufe dieses Prozesses gewinnt die Persönlichkeit an Reife. Eine reife Persönlichkeit nach Rogers entwickelt verschiedene Einstelllungen und Haltungen, die zur Selbstverwirklichung führen: Selbstverantwortlichkeit für das eigene Tun und für das eigene Leben Selbstachtung und Wertschätzung Entwicklung von Lebenswerten Selbstvertrauen entwickeln, Vertrauen ins Leben Offenheit für (neue) Erfahrungen, sich selbst erleben und wahrnehmen, Gefühle und innere Vorgänge erkennen Aus der Vergangenheit lernen, die Zukunft aktiv planen, aber im Hier und Jetzt leben Freiheit entwickeln, indem wir bewusste Entscheidungen treffen und diese verantworten Selbstverwirklichung auch im sozialen Kontext zu praktizieren, Kreativität, frei schöpferisch zu sein und anderen auf ihren Weg der Selbstentfaltung zu unterstützen. „Sie brauchen keine neuen Methoden, sondern eine andere Haltung. Kein Ansatz, der sich auf Wissen, auf Training, auf die Annahme irgendeiner Lehre verlässt, kann auf Dauer von Nutzen sein. Haltung ist entscheidend nicht Worte.“ Prof. Dr. Carl Ranson Rogers Und nun?! Nun haben wir einen kleinen Ausschnitt aus der Persönlichkeitspsychologie kennen gelernt und es gäbe noch so vieles dazu zu sagen. Wie hilft uns dieses Wissen nun weiter, können wir uns damit nun besser verstehen? Gerade die Psychologie, genauso wie Philosophie und Theologie, haben so viele und unterschiedliche Sichtweisen und Meinungen über die Natur des Menschen. Sie können spalten oder aber auch verbinden. Häufig spalten sie, denn es geht um etwas sehr Wichtiges, das Wichtigste vielleicht überhaupt: unseren Selbst-Wert! „Wie kann man das denn nicht verstehen?! Das ist doch ganz selbstverständlich!“ Hört man so oft. „Sei doch nicht immer so …“ oder „wie kann man sich in einer solchen Situation nur so verhalten?! Da treffen manchmal ganz verschiedene Persönlichkeiten aufeinander und die Gräben dazwischen können tief sein. Unterschiedliche Kulturen innerhalb einer Gesellschaft müssen heute miteinander zurechtkommen, miteinander leben und arbeiten. Gegensätze ziehen sich aber auch an, das Fremde und Andere kann sehr attraktiv sein. Aber auf Dauer verlangt ein Zusammenleben viel Flexibilität und Toleranz. Schauen wir aber erst einmal im eigenen Umfeld, da finden sich zahlreiche Beispiele für Missverständnisse, Konflikte und Spannungen, die auf unterschiedlichen Einstellungen, Ansichten, Verhaltensweisen, Erwartungen und Bedürfnissen zu tun haben. In der eigenen Familie sind nicht alle gleich, die Persönlichkeitsunterschiede können durchaus groß sein. Im Arbeitsleben stellen die größten Herausforderungen die Kommunikation, Interaktion, Teamarbeit, Führungsaufgaben und Kundenservice, eben „die anderen“ dar. Und aufgrund von Konflikten im zwischenmenschlichen Bereich geht viel Kraft, Zeit, Motivation und Geld verloren. Die eigene und die Persönlichkeitsstruktur der anderen zu verstehen und zu akzeptieren, kann hier schon eine große Hilfe sein. Die Suche nach dem „Selbst“ Um an eine Eingangsfrage anzuknüpfen: Gibt es überhaupt ein „Ich“ von dem wir so selbstverständlich sprechen? Muss an der „Persönlichkeit“ eigentlich gearbeitet werden? Wird sie entdeckt, entwickelt, entfaltet oder sollte ich mich von ihr lösen? Wir haben dazu aus der Wissenschaft ganz unterschiedliche Meinungen gehört. Aus der Gehirnforschung: es gibt gar kein Ich. Die alten Griechen: die Säfte, also der Stoffwechsel Die Behavioristen: eine Black Box, der konditionierte Mensch Tiefenpsychologie: Triebe, Über-Ich, Verdrängung und Unbewusstes, dazwischen das Ich Das Ich als Ergebnis eines Minderwertigkeitsgefühls, das überwunden werden will? Ursache-Wirkung oder durch Ziele bestimmt? Die Persönlichkeit: ein Charakterpanzer? Alles angeboren oder durch die Umwelt erworben? Erziehung, Gesellschaft oder erlernt an Vorbildern? Der Mensch als Wesen, welches sich entfalten und höher entwickeln möchte? Oder von allem etwas? Und wie hilft uns das nun weiter? Benötigen wir ein konkretes Handwerkszeug, um uns auf den Weg zu machen? Sowas, wie eine Ausrüstung, um einen Berg zu erklimmen. Geht die Reise nach oben, in die Tiefe, in die Vergangenheit oder nach Innen? Welche Vorstellungen haben Sie von sich selbst? Welchen Einfluss hatte dabei Kindheit, Elternhaus oder Schule? Wie erleben sie sich in verschiedenen Situationen? Was sagen die Menschen aus Ihrem Umfeld? Welche Reaktionen auf das eigene Handeln von Ihren Mitmenschen haben Sie manchmal, öfters, regelmäßig wahrgenommen? Gibt es Konflikte, Spannungen, mit wem ist die Zusammenarbeit angenehm und störungsfrei, mit wem verstehen Sie sich mit Leichtigkeit? Fühlen Sie sich erfüllt, am richtigen Platz, ausgeglichen? Leben Sie Ihr Potential, kennen Sie Ihre Stärken? Leben Sie das Leben, was Sie sich wünschen? Was bedeutet für Sie Selbstverwirklichung? Sind solche oder andere Fragen der Weg zur Erkenntnis? Ja, Fragen waren stets ein wesentlicher Schlüssel, um sich oder etwas besser zu verstehen. Sie haben hoffentlich das Fragenstellen noch nicht aufgegeben! Die richtigen Fragen zu stellen ist ein wichtiges Handwerkszeug auf dem Weg zur Erkenntnis. Große Teile der Wissenschaft suggerieren, dass sie schon alles wüssten und verstanden hätten. Der Mensch glaubt das gerne und fühlt sich so in „Sicherheit“. Der Mutige macht such auf den Weg ins Unbekannte. „Wenn ich nicht weiß, dass ich nicht weiß, dann glaube ich, ich weiß!“ (Ronald D. Laing, 1972) „Ich weiß, dass ich nicht weiß!“ (Sokrates) Knut Diederichs, 14.10.2022 Copyright: Das Kopieren und die Weiterverarbeitung von Text, Textpassagen oder Grafiken aus diesem Artikel unterliegt dem Copyright.
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